Kommunale Entwicklung im Fichtelgebirge

 -

Sanierter Eingangsbereich ©Feig Fotodesign Selb

Der ehemalige Gasthof ‘Goldner Löwe’ in Kirchenlamitz, für den lange Zeit keine privatwirtschaftliche Nachnutzung gefunden werden konnte, erstrahlt heute mit einem klugen Mischnutzungskonzept in neuem Glanz. Mitten im Ort, am Marktplatz gelegen, ist das historische Gebäude mit öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss und barrierefreien Wohnungen im Obergeschoss ein Beispiel für eine gelungene Innenentwicklung. Trotz einer schwierigen Ausgangslage mit mehreren Eigentümern und der Herausforderung ein Denkmal zu sanieren, schaffte es Kirchenlamitz mit Mut zum Ankauf und kommunalem Betrieb der Immobilie, sowie einem gut abgestimmten Förderkonzept, einen identitätsstiftenden Ort wieder aufleben zu lassen.

 -

Neuer Empfangsbereich der Stadtbibliothek ©Feig Fotodesign Selb

Insgesamt wurden 6 Mio. Euro für die Sanierung investiert, wobei ein Fördersatz von nahezu 90% erreicht wurde. Zur Finanzierung des Eigenanteils der Kommune wurde ein Kredit aufgenommen, der mit den Einnahmen aus Wohnungsvermietung abbezahlt wird.

Der ‘Goldne Löwe’ ist nun zugleich Stadtbibliothek, Begegnungsort für lokale Vereine, Ausstellungsort für Kunst und Kultur und Wohnort für fünf Parteien. Zudem dient der alte Gasthof wieder als Empfangsort, er ist die ‘neue gute Stube’ von Kirchenlamitz und die Menschen sind stolz auf das zurückgewonnene Antlitz des Stadtbildes.

Erfolgskriterien

Was hat aus Sicht der Projektbeteiligten zum Erfolg geführt?
  • Ein Fördersatz von nahezu 90% wurde durch eine optimale Kombination verschiedener Förderschwerpunkte für öffentliche Nutzungen, kommunalen Wohnraum, Denkmalpflege und die Ausstattung des öffentlichen Gebäudeteils erreicht.

  • Die Fähigkeit des Bürgermeisters, alle wichtigen Akteure an einen Tisch zu bringen und das Vorhaben über die gesamte Laufzeit (12 Jahre) mit einer aktiven Kommunikation voranzutreiben.

  • Die Unterstützung auf Landkreis Ebene durch ein Miteinander, statt einem Gegeneinander unter den Kommunen.

  • Ein lokales Architekturbüro, das ausgehend von der Machbarkeitsstudie bis zur Betreuung der Bautätigkeit nach Ausschreibung das Gesamtprojekt betreuen konnte.

  • Die Schaffung einer halben Stelle zur Betreuung der öffentlichen Räume, neben der ehrenamtlich geführten Bibliothek, die Veranstaltungsmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Tourismus in sich vereint

Voraussetzungen

Was bräuchte es, um mehr solcher Projekte zu fördern?
  • Ein Bewusstsein für Innenentwicklung als oberste Priorität

  • Ein Bekenntnis zum Erhalt historischer Gebäude

  • Eine Gestaltung der Förderkulisse und Anreize für Immobilienentwickler, die derartige Mischnutzungskonzepte klar bevorzugt

Konzeptvergabe in Zehdenick

 -

Vogelperspektive auf das ehemalige Grundschulgelände ©Großraumbüro

Das ‘Großraumbüro’ vereint kooperative Formen des Wohnens, Arbeitens und Gestaltens auf einem ehemaligen Schulgelände in der brandenburgischen Kleinstadt Zehdenick. Das Projekt ist ein gelungenes Beispiel für die partnerschaftliche Entwicklung eines Bestandsgebäudes zwischen Stadtverwaltung und einer privaten Projektgruppe ohne Gewinnabsichten. Mitten im Stadtzentrum liegt das 1909 erbaute Backsteingebäude der ehemaligen Havelland-Grundschule, das bis 2019 Schüler*innen beherbergte. Nun wird das Schulgebäude auf drei Stockwerken mit 17 Wohnungen ausgebaut. In der vormaligen Mensa entsteht ein Coworking-Space und die Turnhalle wird von lokalen Sportvereinen im regelmäßigen Betrieb sowie für temporäre Veranstaltungen genutzt. Außerdem sind Werkstattangebote im Bereich Medien und Grafik geplant. Voraussichtlich sollen insgesamt 3,5 - 4 Millionen Euro investiert werden. Eine Mietwohnungsbauförderung steht in Aussicht steht, die die Schaffung von langfristig bezahlbarem Wohnraum trotz hoher Baukosten ermöglichen würde. Ihr gemeinwohlorientiertes Nutzungskonzept entwickelte die Projektgruppe bereits ortsunabhängig, bevor das Schulgebäude durch die Stadt Zehdenick im Rahmen eines öffentlichen Interessenwettbewerbs als Konzeptvergabe ausgeschrieben wurde..

 -

Die Gruppe Großraumbüro als Projektakteure ©Großraumbüro

Nachdem das Konzept des Großraumbüros die Verwaltung und städtischen Gremien in mehreren Projektvorstellungen überzeugte, war die Kommune offen für den Vorschlag, die Immobilie per Erbbaurecht zu vergeben. Mit der SelbstBau eG fand die Projektgruppe einen Bauträger mit jahrelanger Erfahrung in der Entwicklung von Bestandsgebäuden für Mieter*innengenossenschaften. Sie wird Erbaurechtsnehmerin der Stadt Zehdenick, baut den Wohnraum im Schulgebäude aus und vergibt diesen an Personen, die Teil der Genossenschaft werden. Außerdem vermietet sie die weiteren Flächen des Schulgeländes an die OREUB GmbH als Betreiberin des Co-Working Spaces und den Großraum e.V. für die kulturellen Nutzungen. Ein wesentlicher Aspekt des Projektes ist die Einbettung der Nutzung in das lokale Umfeld. Auf Initiative der Projektgruppe wurden deshalb von Beginn an partizipative Formate für Anwohner*innen sowie Akteur*innen aus Zehdenick durchgeführt. Der Verein wurde geöffnet, um die Bedürfnisse der Menschen vor Ort bestmöglich in die Projektpläne mit einzubeziehen. Damit ist es gelungen, ein geschichtsträchtiges, Ortsbild prägendes Gebäude der Stadt mit Identifikationswert, in eine neue, tragfähige Nutzung zu überführen, die auch vielseitige Angebote für das Gemeinwohl integriert.

Erfolgskriterien

Was hat aus Sicht der Projektbeteiligten zum Erfolg geführt?
  • Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit der Kommune, die den Vorschlag der Projektgruppe aufgriff, die Immobilie per Erbbaurecht zu vergeben. Dabei erforderten die Verhandlungen über den Erbaurechtsvertrag von der Projektgruppe ein hohes Commitment und ehrenamtliche Projektarbeit, ohne vertragliche Absicherung, dass das Projekt auch realisiert wird.

  • Die Projektgruppe zog bereits früh nach Zehdenick, um vor Ort präsent, ansprechbar und nahbar zu sein und integrierte die Bürgerschaft von Anfang an mit in Planung und Umsetzung.

  • Die Selbstbau e.G. als etablierte Wohnungsbaugenossenschaft, die gegenüber der Bank und der Stadtverwaltung, als starker Partner mit entscheidender Expertise auftreten konnte.

  • Eine funktionierende Gruppe, die über die kommunikativen Werkzeuge und beratende Netzwerke verfügte mit schwierigen Phasen umzugehen.

  • Eine Mischung aus Naivität, nicht alles zu wissen, was auf einen zukommen wird und Mut, die nötigen Schritte zu gehen.

Voraussetzungen

Was bräuchte es, um mehr solcher Projekte zu fördern?
  • Eine Schnittstelle auf Seiten der Kommunalverwaltung für eine innovative Stadtentwicklung, die in der Lage ist, Angebote außerhalb der gängigen Marktpraxis aufzugreifen und Räume gemeinwohlorientiert mitzugestalten. Im Falle des Großraumbüros bestand von Seiten der Stadt Zehdenick keine Möglichkeit, Teile der Fläche zu bespielen oder deren Nutzung zu subventionieren, um die Projektgruppe zu unterstützen.

  • Schnellstmögliche (vor)vertragliche Sicherheiten für Projektgruppen schaffen, die auch in Krisenzeiten Bestand haben. Denn trotz des erfolgreich verhandelten Erbbaurechtsvertrags stand das Projekt Anfang Juli 2023 kurz vor dem Aus: Der Landkreis benötigte dringend Räumlichkeiten für die Unterbringung von Geflüchteten und wollte dafür das in kommunalen Besitz befindliche Schulgebäude auf unbestimmte Zeit nutzen. Für die Projektgruppe folgten zwei herausfordernde Monate mit unzähligen Verhandlungsrunden auf der Suche nach Lösungen, immer wieder in der klaren Abgrenzung zur rechten Stimmungsmache gegen Geflüchtete.

  • Möglichst ausführlich und klar formulierte Ausschreibungen im Konzeptverfahren.