Umgang mit Konflikten in kleinen Kommunen
Konflikte sind ein alltäglicher Bestandteil der kommunalen Arbeit. Sie entstehen zwischen Verwaltung und Bürgerschaft, innerhalb der Gemeinderäte oder in interkommunalen Kooperationen. Insbesondere in Zeiten polarisierter politischer Debatten und durch die ständige digitale Erreichbarkeit werden die Herausforderungen für Verwaltungsmitarbeitende immer größer. Eine professionelle, systemische Herangehensweise der Verwaltung an Konflikte mit interdiziplinären Formaten, partizipativer Beziehungskultur und Transparenz kann helfen, Spannungen konstruktiv zu nutzen und tragfähige Lösungen im Sinne des Gemeinwohlinteresses zu entwickeln.

Was bietet das Starke Orte Netzwerk
Kommunales Konfliktmanagement erfordert gezielte Methoden und ein Bewusstsein für systemische Zusammenhänge. Kleine Kommunen können durch den Einsatz bewährter Strategien nicht nur Konflikte entschärfen, sondern auch langfristig eine konstruktive Dialogkultur etablieren und damit ihre Mitarbeitenden schützen. Die Nutzung externer Beratung sollte nicht erst im Krisenfall erfolgen, sondern als proaktive Maßnahme verstanden werden. Im Starke Orte Netzwerk treffen Sie auf Gleichgesinnte und können vom Erfahrungsschatz des Netzwerks profitieren.

Systemische Ansätze für Konfliktmanagement
Systemische Methoden helfen, Konflikte nicht nur als Probleme, sondern als Potenziale für positive Veränderung zu begreifen.
1. Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg
Fokus auf Bedürfnisse, statt auf Schuldzuweisungen
Aktives Zuhören, Empathie und wertschätzende Sprache
Klare Ich-Botschaften zur Vermeidung von Eskalationen
3. Systemische Aufstellungen zur Konfliktanalyse
Perspektivwechsel: Visualisierung der verschiedenen Interessen und Positionen
Identifikation von Blockaden und bewusste Fokussierung auf (Möglichkeiten zur) Lösungsfindung
Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Problemfelder
5. Strategien für Social-Media-Kommunikation
Klare Kommunikationsrichtlinien für kommunale Social-Media-Kanäle
Moderation von Diskussionen und Umgang mit unsachlichen Kommentaren
Proaktive Informationspolitik zur Vermeidung von Missverständnisse
2. Mediation und Moderation in Konfliktsituationen
Unparteiische Moderation bei Gemeinderatssitzungen oder Bürgerversammlungen
Professionelle Mediationsverfahren zur Deeskalation
Externe Konfliktberatung als neutrale Vermittlungsinstanz
4. Resilienz- und Selbstschutzstrategien für Verwaltungsmitarbeitende
Schulungen zur Abgrenzung zwischen Beruflichem und Privatem
Umgang mit Anfeindungen und Hassrede im digitalen Raum
Stärkung der persönlichen Resilienz im Umgang mit emotional aufgeladenen Situationen
“Der Schlüssel für den Aufbau von Vertrauen und das gemeinsame Finden guter Lösungen ist das Zuhören. Dafür schaffen kleinere Veranstaltungsformate mehr Raum.“ – Ann-Sofie Susen, Kommunale Konfliktberaterin bei der Stiftung SPI

Fachseminar des SON in Herzberg mit Ann-Sophie Susen | SPI
Praxisbeispiele
Bürgerdialog in der Gemeinde Hohe Börde (Sachsen-Anhalt)
Die Gemeinde Hohe Börde stand vor der Herausforderung, die Interessen von 19 Ortsteilen in Einklang zu bringen. Mithilfe der Kommunalen Konfliktberatung wurden Gesprächsformate entwickelt, um Verwaltung, Ortsbürgermeister und Bürger:innen zusammenzubringen. Besonders erfolgreich war die Einrichtung eines regelmäßigen Stammtisches, bei dem die lokalen Akteure ihre Anliegen besprechen und Lösungen gemeinsam erarbeiten konnten.
Bürgerdialog in der Stadt Witzenhausen (HE)
In Witzenhausen wurde ein Bürgerdialog-Format eingeführt, um frühzeitig mit Bürgerinnen und Bürgern über kontroverse Projekte zu sprechen. Moderierte Gesprächsrunden und digitale Beteiligungs-Ttools haben dazu beigetragen, Missverständnisse zu reduzieren und konstruktive Lösungen zu finden.
Mediationsverfahren in der Gemeinde Stemwede (NRW)
Nach eskalierenden Gemeinderatssitzungen hat Stemwede externe Mediationsverfahren genutzt, um politische Blockaden zu lösen. Dabei wurden systemische Moderationsmethoden eingesetzt, die langfristig zu einem besseren Arbeitsklima führten.
Community Communication in Torgelow (MV)
Die Stadt Torgelow hat mit externer Unterstützung des ein sogenanntes Community-Communication-Programm etabliert, um Konflikte im öffentlichen Raum zu entschärfen. Besonders erfolgreich waren niedrigschwellige Formate wie Dialogspaziergänge und Stadtteilgespräche.
Social-Media-Kompetenz in der Stadt Hof (BY)
Hof hat ein umfassendes Schulungsprogramm für Verwaltungsmitarbeitende eingeführt, um den Umgang mit unsachlicher Kommunikation in sozialen Netzwerken zu verbessern. Die Einführung klarer Kommunikationsrichtlinien hat die digitale Debattenkultur erheblich verbessert.
Hochwasserbewältigung in Triftern (BY)
Nach einem schweren Hochwasser 2016 setzte Bürgermeisterin Edith Lirsch auf kleinformatige Dialogformate, um die betroffenen Bürger*innen einzubeziehen. Unterstützt durch externe Moderation wurde ein gemeinsames Hochwasserschutzkonzept erarbeitet. Die Gemeinde erkannte die Notwendigkeit, Hochwasserschutz als gemeinschaftliche Aufgabe zu begreifen, um bestehende Ressentiments zu überwinden
Methodische Ansätze
Werkzeuge und Methoden für Konfliktmanagement
Das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun
Das Kommunikationsquadrat (auch als Vier-Ohren-Modell bekannt) beschreibt vier Ebenen, auf denen jedes Gespräch “gesendet” und “empfangen” wird. Dieses Modell ist besonders nützlich in konfliktbeladenen Gesprächen, da es hilft, Kommunikationsprobleme zu erkennen und Missverständnisse zu vermeiden.
Sachebene: Die reine Information, die in der Nachricht enthalten ist („Was ist der Inhalt?“).
Selbstoffenbarungsebene: Was die sprechende Person über sich selbst mitteilt („Was sagt das über mich aus?“).
Beziehungsebene: Welche Beziehung zwischen den Gesprächspartnern besteht („Wie stehen wir zueinander?“).
Appellebene: Was der Sprecher vom Gegenüber erwartet („Was soll der andere tun oder denken?“).
Ein Missverständnis entsteht, wenn “Sender” und “Empfänger” sich auf unterschiedliche Ebenen konzentrieren. Ein Gemeinderatsmitglied sagt in einer Sitzung beispielsweise über ein geplantes Wohnprojekt für Geflüchtete: „Die Bürgerinnen und Bürger hier haben berechtigte Ängste.“
Sachebene: Es gibt Sorgen und Vorbehalte in der Bevölkerung.
Selbstoffenbarungsebene: Der Sprecher zeigt, dass er sich der Diskussion bewusst ist.
Beziehungsebene: Andere Ratsmitglieder oder Verwaltungsmitarbeitende könnten es als populistische Aussage oder mangelnde Unterstützung für das Projekt verstehen.
Appellebene: Indirekt könnte die Aufforderung mitschwingen, das Projekt zu überdenken oder kritische Stimmen stärker zu berücksichtigen.

Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun © Thun Institut

Konfliktdynamiken nach Glasl
Der österreichische Organisationsberater und Konfliktforscher Friedrich Glasl hat ein Modell zur Konflikteskalation bzw. -lösung entwickelt, dass in einer Vielzahl von Fällen angewandt werden kann. Demzufolge durchläuft jede Streitigkeit 9 Stufen. Ist den Parteien bewusst, auf welcher Stufe sie stehen, haben sie die Möglichkeit, ihren Konflikt zu analysieren und bereits während des Konfliktverlaufs besser zu reagieren. Konflikte, die einen gewissen Punkt auf der Skala der Konflikteskalation erreicht haben, können nach diesem Modell nicht mehr ohne Hilfe von außen gelöst werden.
Herangehensweise für kommunale Konfliktbearbeitung
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1
Eskalationsstufen eines Konflikts verstehen: von sachlichen Differenzen bis zur völligen Blockade.
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2
Prävention und Intervention je nach Eskalationsgrad.
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3
Anwendung in Gemeinderäten und Bürgerversammlungen.
Eskalationsstufen eines Konflikts verstehen: von sachlichen Differenzen bis zur völligen Blockade.
Prävention und Intervention je nach Eskalationsgrad.
Anwendung in Gemeinderäten und Bürgerversammlungen.

9 Stufen der Eskalation © www.wirksam-kommunizieren.de

Checkliste für Informations- und Partizipationsveranstaltungen
Zielgruppenanalyse
Wer sind die relevanten Akteure und wie können sie eingebunden werden?
Kommunikationsstrategie
Welche Botschaften sollen vermittelt werden? Welche Kanäle werden genutzt?
Raumgestaltung und Setting
Schaffung einer konstruktiven Atmosphäre für den Dialog.
Methodeneinsatz
Einsatz von Moderationstechniken, Visualisierung und interaktiven Formaten.
Krisenmanagement
Wie können kritische Situationen entschärft werden? Welche Eskalationsmechanismen gibt es?